Seine Majestät war sicherlich genervt

03/2023 - Als Johann Georg Heino 1829 den Cordinger Mühlenhof kaufte, machte er sich motiviert an die Arbeit. Er brachte den Hof zur Blüte, gründete eine Familie und war einflussreich und wohlhabend. Das Paar bekam zwei Töchter und zwei Söhne, und natürlich war klar, dass der älteste Sohn Wilhelm später von ihm Hof und Mühle übergeben bekommen würde. So erfolgreich hätte es weitergehen können, wenn da nicht 1854 eine Nachricht gekommen wäre, die alles änderte: Der jüngere Sohn der Heinos, der 17-jährige August, war als Brandstifter festgenommen worden.

Bereits in der Corona-Zeit hatte das FORUM von der Existenz der Strafprozessakte im Staatsarchiv erfahren. Erst nachdem die Lesesäle nun wieder geöffnet wurden, konnten die 250 Seiten fotografiert und transkribiert werden. "Es sind eben nicht nur Daten, sondern ein ganz persönliches Kennenlernen der Familie Heino, der Zeit und der Lebensumstände an der Cordinger Mühle vor 170 Jahren", erläuterte Torsten Kleiber vom FORUM. Und mit jeder Seite sei es spannender geworden.

Denn August hatte in Schwarmstedt den Hof seines Lehrherrn angezündet und dabei acht Wohnhäuser und vier Stallungen zerstört. Der Schaden wäre in heutiger Währung wohl in die Millionen gegangen. Zwar kamen dabei glücklicherweise keine Personen zu Schaden, aber das war eher Zufall. Ohne Freiwillige Feuerwehr, Löschwassernetz und Notalarmierung in einer sowieso sehr dünn besiedelten Region hätte noch Schlimmeres passieren können.

Es kam vor Gericht zu dem befürchteten Urteil: Nicht nur im Königreich Hannover war Brandstiftung ein Kapitalverbrechen. Und weil sich herausstellte, dass August sogar auch noch Wiederholungstäter war, wurde er "zum Tode durch das Schwert" verurteilt.

Müller Georg Heino muss am Boden zerstört gewesen sein.  Der gute Ruf seiner Familie war dahin. Der schlimmste Verbrecher weit und breit war sein Sohn, auf den anderen Höfen wird man sich Gerüchte über ihn und seine Familie erzählt haben. Und vor allem wartete der Scharfrichter auf seinen Sohn. 

Der alte Müller hätte seinen Sohn verstoßen können und die Hinrichtung geschehen lassen. Stattdessen nahm er sich einen Advokaten und gab nicht auf: Er lies dem Hannoverschen König Georg V. ein Gnadengesuch zukommen, und seine Hartnäckigkeit rettete August das Leben. Der König begnadigte den Verurteilten auf lebenslange Haft, aber bei erschwerten Haftbedingungen. Und die sollten erzieherisch wirken: An den Jahrestagen seiner Missetaten wurde der Cordinger Müllerssohn jeweils für drei Tage bei Wasser und Brot in den Kerker geworfen und sollte über seine Verbrechen nachdenken.

Der "verlorene Sohn" war zwar gerettet, Müller Heino gab sich aber noch nicht zufrieden. Jährlich wiederholte er seine Schreiben an den König, gratulierte ihm und seinem Kronprinzen zu Geburtstagen, appellierte an sein Vaterherz, später erwähnte Heino als Witwer den Tod seiner Frau. Und er schlug Lösungen vor: Sein alter Bekannter Heinrich Theis war nach Amerika ausgewandert und bestätigte 1857, dass er den Müllersohn in New Jersey aufnehmen würde, wenn man ihn entlassen würde.

König Georg V. lehnte regelmäßig ab, nach und nach aber gelangen Georg Heino erste Erfolge. 1858 wurden die erschwerten Haftbedingungen aufgehoben und schließlich - weitere fünf Jahre später - ordnete der König die Entlassung des Brandstifters an. Allerdings nicht zu den Wunschbedingungen von Georg und August Heino: August kam zwar auf freien Fuß, musste sofort und für immer das Land verlassen und auswandern. Aber nicht wie erhofft nach Amerika - sondern nach Ostindien. Ein Holländer solle ihn auf das nächste Segelschiff in das heutige Indonesien mitnehmen.

Müller Georg Heino hatte es nach neun Jahren geschafft, seinen Sohn aber trotzdem verloren. In der Zwischenzeit war seine Frau an Tuberkulose verstorben, wenige Jahre später starben seine zwei kleinen Enkelinnen an Masern und Krupp. Es müssen nachdenkliche Jahre für den alten Müller gewesen sein, bevor er schließlich selbst 1870 an einem Schlaganfall starb. Von seiner Familie blieben nur sein ältester Sohn als Gutsherr mit seiner Frau kinderlos auf dem Cordinger Mühlenhof zurück. Sein Leben hatte er dem Cordinger Mühlenhof gewidmet, es muss ihm aber klar gewesen sein, dass die so erfolgreiche Ära Heino damit beendet sein würde. Sieben Jahre nach dem Vater starb dann auch der älteste Sohn und Hofbesitzer an Typhus. Seine Witwe bewirtschaftete Vollhof und Mühle noch lange, bis sie schließlich das Kapitel Heino in dem mehr als 700 Jahre alten Geschichtsbuch der Cordinger Mühle durch den Verkauf des Vollhofs beendete.

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