Lange Gänge in der Konzernzentrale

09/2023 - Die EIBIA hat als größte Pulverfabrik im Dritten Reich nicht nur einen großen Teil der Landschaft Lohheide in Beschlag genommen, sondern auch Benefeld nachhaltig geprägt. Von ca. 60 Einwohnenden im Jahr 1935 wuchs der Ort in zwei Jahren auf rund 2.500 Arbeitende, die die Anlagen der EIBIA erst aufbauten und später betrieben. Die Spuren dieser rasanten Entwicklung im Ort erläuterte Stadtarchivar Thorsten Neubert-Preine bei einer FORUM-Führung.

Gewöhnlich führt der Historiker die Interessierten zum Thema EIBIA durch das Lohheider Waldgebiet, diesmal ging es durch die Benefelder Straßen. Start war an der heutigen Waldorfschule, die zu Kriegszeiten die Hauptverwaltung des Konzerns mit drei Produktionsstandorten war. Stephan Handwerker, Geschäftsführer der Waldorfschule, ermöglichte einen Gang durch das Gebäude und einen Blick auf Besonderheiten des Baus, die heute noch erkennbar sind: im Bereich der kleinen Eingangshalle Türstürze und -einfassungen aus Marmor, lange Korridore für die damaligen Büros und im Keller die genauso lange Flucht für kampfgassichere Schutzräume und kleine Labors. "Die Größe und Ausstattung des Gebäudes ist heute noch bemerkenswert, damals war sie spektakulär. Die Region war ländlich, die Infrastruktur kaum ausgebaut, und dann kamen Siedlungen, Straßen, Güterverkehr und 1941 dieser Gebäudekomplex", erklärte Neubert-Preine. Mit weiteren Gebäudeteilen und dem Bereich der heutigen Ita-Wegman-Schule, die seinerzeit eine EIBIA-Unterkunft für ledige Frauen war, entstand ein ganzer Verwaltungscampus an zentraler Stelle.

Die zivile Nachnutzung hat den Bauten ihr industrielles Aussehen zwar nicht vollständig genommen, gibt ihnen aber aus heutiger Sicht einen sympathischeren Charakter. So wurde die Hauptverwaltung schließlich als Waldorfschule ein Ort der Bildung und Kultur mit vielen Kindern, und ansprechende Wohnungen wurden aus dem ehemaligen Hauptpförtner, der in seinen Kellerräumen noch abgeklemmte Kampfgasfilterungen an der Wand hat. Die Technische Abteilung wurde Grundschule, und die Gebäude der Mühlenhofsiedlung Wohnhäuser, genauso wie die des ehemaligen Lagers Cordingen (Lohheide Nord), die nach dem Krieg erst noch wenige Jahre Liberation Hospital Bomlitz waren.  

Mehr Phantasie brauchte man bei den Arbeiterlagern, deren Strukturen heute nicht mehr ohne genauen Blick erkennbar sind. So wurde das Gelände des KZ-Außenlagers Sandberg komplett geräumt und in eine Wohnsiedlung umgewandelt, genauso wie es mit dem sogenannten Steinlager in der heutigen Straße "Im Hagen" passierte, wo nur wenige Gebäude erhalten blieben. Das direkt westlich angeschlossene Lager für Ost-Arbeiter und das Lager für Ost-Arbeiterinnen im heutigen Bayershofer Weg haben in den heutigen Wohnsiedlungen nur noch gelegentliche Fundamentreste als Relikte. Und auf dem Standort der Baracke der italienischen Internierten steht heute ein Supermarkt.

"Die Entwicklung hat den Ort rehabilitiert", sagt Torsten Kleiber vom FORUM. Es bleibe trotzdem die dauerhafte Aufgabe, Geschichte vorzustellen und zu erläutern und an die Tausenden von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu erinnern. Es lohne sich, mit den Denkorten der EIBIA das Verstehen der damaligen Geschichte und die Schlüsse für die heutige Zeit zu unterstützen.

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