"Ich will diese Dinge hier nicht tun."

10/2020 - Ein Besuch der EIBIA in Liebenau ist immer wieder erkenntnisreich. Die Größe und die damalige Geschwindigkeit des Bauvorgangs und Modernität der Technik sind beeindruckend. Wie in jedem Jahr besuchte eine FORUM-Gruppe den Partnerverein in Liebenau und durfte unter anderem ein ehemaliges Kraftwerk, Gebäude der Produktionsanlagen und ein Trockenhaus besichtigen. Sie wurde geführt von Historiker Martin Guse, der betonte: "Diese Anlagen konnten entstehen, weil Geld, Eigentum, Umwelt und vor allem Menschenleben keine Rolle spielten." 

Zwischen 1.500 bis 2.000 Kriegsgefangene, Fremd- und Zwangsarbeiter kamen hier zu Tode. Für Guse ist es wichtig, dass bei der Erinnerung an das ehemalige Rüstungsunternehmen nicht die Gebäude im Vordergrund stehen, sondern die Menschen, die hier zur Arbeit gezwungen wurden und sterben mussten. Einer großen Zahl von Opfern konnte er so auch mit Hilfe der Nachfahren ein Gesicht und eine Geschichte zurückgeben.

Als eines von vielen Beispielen beschrieb er den Niederländer Pieter Koop, der im Februar 1943 festgenommen und nach Liebenau gebracht wurde. Gefiel ihm anfangs noch die benachbarte Stadt Nienburg, wo westliche Zwangsarbeiter sich nach der Arbeit aufhalten durften, verstand er anhand der chemischen Formeln schnell, dass er mit seiner Arbeit die Produktion von Pulver unterstützen würde, das seine eigenen Landsleute töten würde. In einem Brief an seine Familie schrieb er zensurbedingt verklausuliert aber entschieden: "Ich will diese Dinge hier nicht tun." Bereits nach sechs Wochen floh er, wurde aber an der Grenze zur Niederlande aufgegriffen und in das KZ Neuengamme bei Hamburg gebracht. Im April 1944 starb er dort - angegebene Todesursache: Lungentuberkulose. Pieter Koop wurde 21 Jahre alt.

Die Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau und das FORUM haben vereinbart, gemeinsam Spuren zu suchen, Dokumente zu sammeln und Biographien wie die von Pieter Koop aufzubereiten. Ab 2021 beginnen dort Umbauarbeiten zu einer Gedenkstätte. In der Zusammenarbeit will das FORUM behilflich sein, die Geschichte der EIBIA mit den Bomlitzer Aspekten zu vervollständigen. Eine der ersten Aufgaben ist dabei die Elektronisierung von 12.600 Datensätzen der Betriebskrankenkasse der Firma Wolff, die seinerzeit die westeuropäischen Fremd- und Zwangsarbeiter registrierte. Danach können mit Datenbankmitteln Zusammenhänge zum Arbeitseinsatz der eingesetzten Menschen untersucht werden.

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