Der Wolf wird ein Thema bleiben

05/2017 - Im Jahr 2012 hatte Hans Scheele vom FORUM eine erste Gelegenheit organisiert, sich über die Rückkehr des Wolfs in unsere Region auf wissenschaftlichem Niveau zu informieren. Es folgten jährliche Statusvorträge über die Entwicklung der Population dieses größten Raubtiers bei uns, die nach einer Pause im letzten Jahr Wolfsberater Theo Grüntjens weiterführte. Das Interesse war ungebrochen groß, und die anschließende Diskussion unaufgeregt. Der Wolf wird ein Thema bleiben, über das vor allem sachlich informiert werden muss, damit man sich eine begründete Meinung bilden kann.

Walsroder Zeitung vom 06.05.2017: „Nicht ausrotten, aber reglementieren“. 70 Besucher beim FORUM-Vortrag in Bomlitz. Wolfsexperte Theo Grüntjens referiert. Wissenschaftliche Betrachtungen.

Welche Grenzen soll „Mensch“ ziehen? Welche Spezies darf leben, welche nicht? Wo? Und: wie viele? „Alle Arten sind gleich wichtig“, sagt Theo Grüntjens, Wolfsexperte, Buchautor und Naturfotograf. Und er verweist auf ein „komplexes System, in dem jede Kreatur eine Aufgabe erfüllt“. Obwohl der Kulturverein FORUM Bomlitz am Donnerstagabend bereits zum fünften Mal einen Vortrag zum Thema „Wolf“ anbot, kamen erneut gut 70 Besucher ins Dorfgemeinschaftshaus. Sie erlebten einen Abend, an dem wissenschaftliche Betrachtungen und Fakten im Mittelpunkt standen – und nicht emotionale Debatten. 

Denn die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland spaltet die Nation. Grüntjens betrachtet die Situation nüchtern, sachlich – wohl ein Grund dafür, dass dieser Informationsabend harmonisch verläuft. Grundsätzlich habe der Wolf ein Bleiberecht in Deutschland, zieht der Referent ein Fazit. Dort, wo er Nutztierrisse verursacht, müsse „eine schnellere Reaktion“ möglich sein und ein „vernünftiger Weg“ gefunden werden, sieht er auch diese Seite. „Wir brauchen auch klare Aussagen von der Politik“, fordert Grüntjens. Für eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht gebe es indes noch kein brauchbares Konzept, das aufzeigt, auf welche Weise Eingriffe erfolgen sollen. 

Damit deckt der Experte die ganze Bandbreite ab. Nicht ausrotten, aber reglementieren lautet seine Devise. Und mit der Mischung aus Für und Wider können die Besucher offenbar leben. 

Theo Grüntjens leitete bis zu seiner Pensionierung mehr als 30 Jahre lang die Forstverwaltung des Rheinmetall- Konzerns in Unterlüß. Dort wurde 2006 der erste nach Niedersachsen eingewanderte Wolf registriert. „In den vergangenen 20 bis 30 Jahren hat sich in der Landschaft viel getan“, so Grüntjens, „die Arten kommen und gehen.“ Doch während die Menschen die Rückkehr anderer „Jäger“ wie den Seeadler eher unbeeindruckt zur Kenntnis nehmen, habe der Wolf von Beginn an zu leidenschaftlichen Diskussionen geführt. „Dazu hat jeder sofort eine Meinung“, weiß der Experte. Märchen und Mythen sind tief verwurzelt im menschlichen Geist, nennt er eine Ursache dafür. 

Kein Wunder. Zwar stamme die Nahrung der Wölfe – wissenschaftlich nachgerechnet – nur zu etwa einem Prozent aus Nutz- und Haustieren. „Grundsätzlich sind Wölfe darauf nicht angewiesen. Es gibt genügend Wild.“ Doch Betroffene sind unsicher, wütend, haben Angst um ihre Existenz. Wie bereits berichtet, organisieren Weidetierhalter auch im Heidekreis mittlerweile sogar „Mahn- und Solidarfeuer“, nachdem zahlreiche Schafe angegriffen worden waren. Noch laufen Untersuchungen, nicht in allen Fällen ist der Verursacher eindeutig identifiziert. Grüntjens weiß, dass der Verlust von Tieren schmerzt – wirtschaftlich wie emotional. Und er weiß: „Das sieht nicht immer schön aus.“ Doch er sagt auch, dass manche Halter es den Räubern „zu leicht machen“. Nutztierhalter seien dazu verpflichtet, ihre Tiere zu schützen. In vielen Fällen hätte ein Elektronzaun das Unheil vermeiden können, glaubt er. Ein hundertprozentiger Schutz sei allerdings nicht möglich, bleibt der Experte realistisch. 

Aktuell gehen die Experten von rund 100 Wölfen in Niedersachsen aus. Prognostizierte Wachstumsrate zurzeit: rund 30 Prozent jährlich. Bundesweit seien um die 600 Tiere nachgewiesen, gut 60 Rudel. Zum Vergleich: In Russland gebe es etwa 20.000 Wölfe, in Norwegen und Finnland dagegen nur etwa 50. Dort werde „jagdlich anders damit umgegangen“. 

Mittlerweile verfüge die Wissenschaft über ein „relativ verlässliches Bild“ des Wildtiers Wolf und seiner Verhaltensweisen, erklärt Theo Grüntjens. Das nach Bundesnaturschutzgesetz und EU-Recht besonders geschützte Tier werde nach wie vor häufig bei Beobachtungen verwechselt, vor allem mit Hunden. Kurze, dreieckige Ohren, helle Augen, weißer Wangenbereich und eine Schulterhöhe zwischen 60 und 90 Zentimetern: Das seien ebenso typische Merkmale wie die Form des Wolfsbaus und die Struktur der Spuren. Vor allem das Sozialverhalten der Wölfe innerhalb des Rudels sei vorbildlich. „Da könnte sich manche Menschen-Familie eine dicke Scheibe von abschneiden.“ 

Hauptopfer der Wölfe im Nutztierbereich seien Schafe und Ziegen, so der Gast weiter. Pferde dagegen seien als Fluchttiere kaum gefährdet. Und Kühe seien „keinesfalls dumm“, sie nutzten uralte Instinkte und bilden eine Art Wagenburg, wenn ein Wolf auftaucht, so Theo Grüntjens weiter. Zudem sei zu beobachten, dass in Wald und Flur das Wild wieder zu normalem Verhalten zurückkehre. Weil ein Rudel ein Territorium von 250 bis 300 Quadratkilometern für sich beansprucht, bleibe die Zahl gerissener Wildtiere klein. „Gutes Jagen bleibt möglich“, urteilt Grüntjens.

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