Geert Kroeze

Herkunft
Odoorn, Niederlande

Geburtsjahr
1921

In der EIBIA
Zwangsarbeiter
1943 bis 04/1945
zwangsrekrutiert
untergebracht im Walsroder Lager Graesbeck

kehrte am 31.12.1945 in seine Heimat zurück

 

 

Quelle: Die Geschichte meines Vaters.
In: Thorsten Neubert-Preine: Zwangsarbeit in Bomlitz. Berichte von ausländischen Arbeitskräften der EIBIA GmbH für chemische Produkte Bomlitz. Bomlitz 2005.

"Mein Vater Geert Kroeze wurde 1943 als 22-jähriger von den Nazis erfasst und nach Bomlitz abtransportiert. Er musste dort an der Produktion von Pulver teilnehmen. Nach einigen Wochen ist er mit 5 anderen Freunden entwischt und wollte zu Fuß zurück nach Holland. Er wurde aber am nächsten Tag gefasst und in einem Gestapo-Gefängnis in Osnabrück festgehalten. Von dort aus wurde er nach Essen-Mühlheim gebracht, in ein AEL (Arbeitserziehungslager). Dort hat man versucht, ihn und seine Freunde geistig und körperlich in 6 Wochen fertig zu machen. Nach den 6 Wochen wurde er zusammen mit 3 Freunden nach Bomlitz zurückgebracht. Die anderen 2 Freunde wurden nach Buchenwald bei Weimar transportiert und sind dort von den Nazis ermordet worden. Als mein Vater nach Bomlitz (Benefeld) zurückgekommen war, hatten seine Kollegen ihn nicht wiedererkannt, weil er in den 6 Wochen im AEL sehr wenig Essen bekommen hatte und seine Augen durch Schläge zugeschwollen waren. Man hat ihm gesagt, dass er Glück gehabt hätte, dass er wie ein Deutscher aussähe (blond und blaue Augen). Sonst hätten ihn die Nazis, wie die 2 anderen Freunde, auch nach Buchenwald geschickt, um als Versuchskaninchen in der Fleckfieber-Versuchsstation zu dienen.

Meine Frau und ich sind diesen Sommer in Buchenwald im KZ-Lager gewesen und haben gesehen, welche schrecklichen Sachen die Nazis dort gemacht haben und haben zueinander gesagt, dass mein Vater tatsächlich Glück gehabt hat, dass er damals nicht nach Buchenwald transportiert worden ist.

Mein Vater hat bis zum Kriegsende in Bomlitz bei der EIBIA als Zwangsarbeiter gearbeitet, wo er im Mai [sic! April] 1945 von den englischen Soldaten befreit worden ist. Er kam erst am 31 Dezember 1945 wieder nach Holland zurück.

Bei der EIBIA arbeiteten damals auch viele Deutsche aus Walsrode, Graesbeck und Umgebung. Einige waren richtige Nazi-Schweine, aber es gab auch einige gute deutsche Leute, die ab und zu Brot, Milch, Eier, und Fleisch von zuhause mitgebracht und es meinem Vater gegeben haben.

Die Zwangsarbeiter mussten gefährliche Arbeit machen und bekamen keine Schutzkleidung. Viele Holländer sind dort krank (Haut- und Lungenkrankheiten) geworden, nachdem sie ungeschützt mit chemischen itteln und Säuren arbeiten mussten. Die Arbeit war sehr schwer. Mein Vater hatte mal eine Blutvergiftung bekommen. Er ging zur Krankenstation in Bomlitz und der Arzt hat gesagt: „Medizin bekommst du nicht. Wenn du Glück hast, bleibst du leben, sonst hast du eben Pech.“

Nach dem Krieg hat mein Vater 25 Jahre als Polizist in Holland gearbeitet, aber als er etwa 55 Jahre alt war, bekam er nachts Alpträume und wurde psychisch krank, weil all die schlimmen Sachen, die er im Krieg in Deutschland erleben musste, in seine Erinnerung zurückkamen. Er ist deshalb einige Jahre ärztlich behandelt worden und hat die letzten 10 Jahre seines Lebens endlich in Ruhe leben können. Im Jahre 1994 ist er, 74 Jahre alt, an einem Herzversagen gestorben. Er hat immer sehr wenig über die EIBIA-Zeit gesprochen.

Teun Kroeze
Oktober 2004

Nachtrag

Mein Vater hat mir erzählt, dass die Arbeit bei der EIBIA sehr schwer war. Er musste schwere Rollen (70 kg pro Stück) oben in einer Presse tragen, und das musste schnell gehen. Nach dem Krieg hatte er oft Rückenschmerzen. Aber das Schlimmste war, als er bei einem Fluchtversuch erwischt und als "arbeitsscheu" 6 Wochen in ein Arbeitserziehungslager gesteckt wurde. Einige seiner Freunde von der "Fluchtgruppe" haben die 6 Wochen nicht überlebt. Er hat damals Glück gehabt, dass das AEL von Alliierten bombardiert und alles zerstört wurde. Er ist dann ins Gerichtsgefängnis in Lüneburg verlegt worden, wo er besser behandelt wurde. Nach einer Woche hat man ihn dann wieder zur EIBIA zurückgeschickt.

Teun Kroeze
November 2004"

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