Emilija Stojanowa

Herkunft
Michailo, Ukraine

Geburtsjahr
1926

In der EIBIA
Zwangsarbeiterin
09/1943 bis 05/1945
zwangsrekrutiert
untergebracht im Lager Nonnenwald, Ost

Verbleib nach Kriegsende unbekannt

 

 

20200813 Sandbostel 06Bei Renovierungsarbeiten in einem ehemaligen EIBIA-Gebäude in Benefeld stießen die Eigentümer auf eine schmale und unscheinbare Tür. Sie sieht aus wie eine gewöhnliche Kellertür, wie man sie in älteren Häusern oft antrifft. Erst bei genauerem Hinsehen entdeckten sie drei Texte in kyrillischer Schrift. Ohne zu wissen, was auf der Tür geschrieben ist, waren sie aber sicher, dass sie ein historisches Dokument vor sich haben. Privat gab es Kontakte zur Gedenkstätte Sandbostel, und so gelangte die Tür aus Benefeld 1998 in das dortige Archiv des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag X B. 

Aus welchem Gebäude die Tür stammte, könnte anhand der Größe und der Scharniere untersucht werden. Sehr wahrscheinlich gehörte sie aber zu einem Nebengebäude der Hauptverwaltung (heute Waldorfschule), das während des Betriebs der EIBIA als Arrestzelle genutzt wurde und mittlerweile abgerissen ist. Hier befanden sich mindestens 1943 und 1944 russische und ukrainische Zwangsarbeitende, die wegen "Widersetzlichkeit" eingesperrt wurden. Drei dieser Gefangenen hinterließen auf der Tür mit Bleistift Beschreibungen ihrer Haft.

Die Meldekarte von Emilija Stojanowa belegt, dass sie die Befreiung erlebte und am 25.05.1945 "ohne Abmeldung verzogen" sei. Sollte sie anschließend versucht haben, über die sowjetische Zone wieder in die Heimat zu gelangen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie als "Kollaborateurin" in ein Gulag nach Sibirien gebracht worden ist. 

 

Quelle: Tür aus EIBIA-Arrestzelle, Archiv Lager Sandbostel

"Am 5. II.44 saß hier Stojanowa Mila <Mikoiajelina> von 12 Uhr mittags bis 7 Uhr abends. 17 Jahre alt.

Mila saß dafür, weil sie am 31. Januar ihren linken Fuß verletzte, sie arbeitete in der zweiten Schicht von 4 Uhr nachmittags bis 12 Uhr nachts, und morgens um 5 Uhr musste sie wieder zur Arbeit von 7 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags. Weil ihr Fuß sehr weh tat, ging sie an diesem Abend nicht nach Hause, sondern übernachtete im Handwerkslager, wohin sie ihre Freundin gebrachte hatte, weil Mila nicht allein gehen konnte.

Die Tagesschicht arbeitete sie durch und kam hungrig nach Hause (man muss sagen, dass Mila zum letzten Mal um 12 Uhr am 31. gegessen hat), und was war los? In der Baracke war Desinfektion und die Brotkarten für das Mittagessen waren in der Baracke. (Das Mädchen bleibt nicht hungrig, hier ist es doch gut.) Mila ging zu Kletka, um nach Essen zu fragen, aber die schimpfte Mila aus, weil sie in der Fabrik übernachtet hatte, und gab ihr nichts zu essen. Das Mädchen ging hungrig unter Tränen schlafen. Es ist leicht zu sagen, hungrig schlafen zu gehen, und die Freundinnen konnten ihr nicht helfen. Sie waren selbst hungrig, was für einen Anteil bekamen sie.

Am Morgen beschloss das Mädchen, nicht zur Arbeit zu gehen, die Arbeit war so schwer wie für Männer. Kletka rief das Mädchen um 6 Uhr morgens zu sich ins Zimmer und fragte, warum sie nicht zur Arbeit gehe. Kletka kann das nicht verstehen und befahl, um 7 Uhr zur Arbeit zu gehen. Mila ging mit großen Anstrengungen zur Arbeit, arbeitete und rannte nach Hause (aber ihr, meine Lieben, müsstet wissen, wie man rennen kann, wenn man 3 Tage nichts gegessen hat). Trotzdem ging Mila eilig nach Hause und was sah sie? Ihre Brotkarten waren weg, jemand stahl sie und ihren Lohn. (Wie viel Tränen waren das, wie viel Schluchzen.) Die Freundinnen halfen ihr, gaben die letzten Brotkrümel und den letzten Löffel Wassersuppe. Und das führte dazu, dass sie und ihre Freundinnen hungrig waren.

Und endlich kam der 4. Februar, Mila bekam Urlaub für 2 Tage. Am 4. feierte Mila, trank genug Tee nach 7 Tagen Arbeit < (natürlich war der Tee, ihr müsst das wissen, wer nicht weiß, schreibe ich, war nicht süß, aber genug Tee) > und kam nach Hause. Mila wühlte in ihren Papieren und entdeckte 2 Brotkarten noch von der 52. Woche (jetzt ist die 5. Woche), radierte die zwei aus und wollte am letzten Tag ihres „Urlaubs“ noch essen (die Marken waren für Brot). Es ist noch anzumerken, dass Mila all die Tage nicht zu Kletka gegangen war und nicht nach Essen gefragt hatte, weil sie wusste, dass es keins gibt.

Die Fälschung wurde entdeckt. Kletka schlug sie zuerst auf die linke Wange und wurde rot vor Wut, dann befahl sie Mila, sich auszuziehen. Das Mädchen erfüllte gehorsam den Befehl. Sie hatte ein schwarzes, seidenes Kleid und eine Jacke an. Die Jacke zog Mila aus und blieb im Kleid. Kletka jagte alle aus dem Zimmer hinaus und blieb mit einer Dolmetscherin, beide waren zufrieden mit ihrer Beute. Das Mädchen stand da und wartete zitternd auf ihren Prozess. Kletka nahm aus ihrem Zimmer die Riemenpeitsche und schlug, wie es ihr gefiel. Sie müssten wissen, ob es leicht für Mila war, das auszuhalten oder nicht, aber danach führte Kletka selbst hierher in das kalte Loch. Das ist alles, was ich von hier schreiben konnte, liebe Freunde, was weiter passiert, weiß ich nicht, jetzt sitze ich noch hier.

Weine nicht und sei nicht traurig, liebes Kind, dass du in einem feuchten Keller sitzt. Sei Kletka und ihrer Freundin Walja dankbar. Es kommt noch die Zeit für Mila. Sei tapfer und dein Herz sei heiß. Besser gehst du ins Grab als zusammen mit ihnen Schulter an Schulter."

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