Ein Dachbodenfund zur EIBIA-Geschichte

06/2021 - Auf ungewöhnlichen Wegen hat eine Sammlung von EIBIA-Dokumenten den Walsroder Stadtarchivar Thorsten Neubert-Preine erreicht. Der Fund bringt neue Aspekte in die historische Betrachtung und ist in dieser Form ein Glücksfall. Er ist auch eine Erinnerung daran, dass man alte Unterlagen aus Nachlässen nicht leichtfertig wegwerfen sollte. 

Walsroder Zeitung vom 08.06.2021: Dachbodenfund zur EIBIA-Geschichte. Originaldokumente der Pulverfabrik Eibia befinden sich nun im Stadtarchiv.

Über die bemerkenswerte Geschichte der ehemaligen Pulverfabrik EIBIA GmbH in der Lohheide zwischen Benefeld, Bomlitz, Borg und Uetzingen ist schon viel geschrieben worden. Nach wie vor finden sich zahllose Spuren der umfangreichen Produktionsanlagen in dem ausgedehnten Gelände, die zum Teil durch einen Geschichts- und Erinnerungspfad erläutert werden. Die Aufarbeitung der Vergangenheit dieses Betriebs, in dem Zehntausende ausländische Arbeitskräfte aus über zwanzig Ländern zumeist zwangsweise Pulver für den Krieg produzieren mussten, ist allerdings von jeher schwierig, weil sich nicht viele Originaldokumente erhalten haben. Die meisten Akten des Unternehmens wurden gegen Kriegsende von der Werksführung verbrannt.

Nun ist ein Konvolut von EIBIA-Unterlagen aufgetaucht, die als verloren galten und neue Einblicke und Erkenntnisse zur Fabrik-Geschichte liefern. Die Dokumente hatte der Ingenieur Dr. Hans Schulz (1894-1968) in seinem Haus am Röpersberg in Bomlitz aufbewahrt. Er war maßgeblich beim Aufbau der Eibia-Fabrik und an der Pulversortenentwicklung beteiligt und hatte die Funktion des Chefs der Nitrozelluloseabteilung. Nach dem Krieg wurde er nach einer Denunziation vom britischen Militär inhaftiert und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er u.a. wichtige Firmenunterlagen und eine Waffe vergraben hatte. Nach drei Jahren kam er vorzeitig frei und konnte wieder bei der Firma Wolff & Co. arbeiten.

In der Folgezeit verfasste Dr. Schulz mehrere kleine Abhandlungen über die Geschichte der EIBIA in Zusammenhang mit dem Mutterunternehmen Wolff & Co., die ursprünglich zur Veröffentlichung anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Unternehmens 1965 vorgesehen waren. Für diese Manuskripte hatte er auch einige Tabellen über die Produktion in den verschiedenen Betriebsteilen zusammengetragen. Ein Teil der hierzu geführten Korrespondenz zeigt, mit welchen ehemaligen Leitungskräften des Unternehmens sich Dr. Schulz darüber ausgetauscht hat. Die Briefe lassen erahnen, dass die Werksleitung seinerzeit kein großes Interesse daran hatte, diese unliebsame Vergangenheit so detailliert aufzuarbeiten. So kam es schließlich auch zu keiner Veröffentlichung der Texte.

Zu dem Konvolut gehört darüber hinaus eine große Urkundenmappe aus Holz, in der alle Originalurkunden der Auszeichnungen enthalten sind, die die EIBIA GmbH von der Reichsregierung und der Gauleitung zwischen 1941 und 1944 erhalten hat. Danach hatte sich der Kriegsbetrieb u.a. bei der „Volksgesundheit“ und der Schaffung von „Heimstätten und Wohnungen“ in seinem Bereich besonders hervorgetan. Auch sonst wurden der Fabrik immer wieder „hervorragende Leistungen“ bei der Produktion attestiert. Anfänglich war die Gesundheitsversorgung für die Arbeitskräfte auch tatsächlich vorbildlich und es wurde auf gute Unterkünfte zunächst noch großen Wert gelegt. Doch in der Rückschau muten die Auszeichnungen eher makaber an, denn mit Fortschreiten des Krieges wurden die Wohnverhältnisse in vielen Massenquartieren der Arbeitskräfte immer problematischer. Ansteckende Krankheiten wie Tuberkulose breiteten sich zunehmend aus und forderten zahlreiche Todesopfer.

Nach dem frühen Tod von Dr. Schulz im Jahre 1968 landeten die gesammelten Unterlagen auf dem Dachboden des Hauses, wo sie in Vergessenheit gerieten. Sein Sohn Gottfried Fritz Schulz, ebenfalls langjähriger Mitarbeiter des Bomlitzer Unternehmens, hat zeitlebens eine gewisse Verantwortung für das im Zweiten Weltkrieg an den ausländischen Arbeitskräften verübte Unrecht empfunden. Deshalb war es ihm ein besonderes Anliegen, sich um die Pflege die Kriegsgräber auf dem Bomlitzer Ausländerfriedhof zu kümmern. Als er 1988 verstarb, verwahrte seine Frau Ilse die Dokumente des Schwiegervaters. Nach Ihrem Tod im Jahre 2012 wurde der Haushalt aufgelöst und der Nachlass ging zunächst unbeachtet bei in den Besitz seiner Enkelin Annette Arndt, geb. Schulz, über. Bei einer neuerlichen Aufräumaktion kamen die Unterlagen zur Eibia nun wieder zum Vorschein. Da sie zweifelsohne archivwürdig sind, wurde seitens der Familie der Entschluss gefasst, sie an das Stadtarchiv Walsrode abzugeben, damit sie auch zukünftig und dauerhaft für die Forschung zur Verfügung stehen.

Thorsten Neubert-Preine M.A.

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