Bomlitzer Ortskern ist historisch wertvoll

05/2021 - Die Firma Wolff wuchs stark im internationalen Pulvergeschäft und hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein unausgesprochenes Erfolgsrezept: Sind die Arbeiter zufrieden und gesund, läuft der Betrieb gut und ohne Störungen, und die Firma verdient Geld. Heute nennt man das "Win-Win"-Strategie. Und dieses "Win-Win" kann man noch heute in der Architektur des Bomlitzer Ortskerns erkennen.

Der Bedarf an Arbeitskräften war groß, der Ort Bomlitz aber bestenfalls eine Siedlung. Um Arbeiter anwerben zu können, musste Wohnraum entstehen. Zu diesem Zweck baute die Firma Wolff das Ledigenheim für Männer. In Spitzenzeiten gab es hier Zimmer für 144 Arbeitskräfte - und das für die damalige Zeit durchau komfortabel.

Schräg gegenüber entstand im Ortskern zur selben Zeit das Wohlfahrtsgebäude. Sanitäre Einrichtungen mit Mietbadewannen, ärztliche Versorgung und die Betriebskrankenkasse waren hier untergebracht. Man kümmerte sich um die Belegschaft, und die Arbeiter wussten, dass sie bei Unfällen oder Krankheiten versorgt wurden. Und Mietbadewannen bereits im Jahr 1913 waren ungewöhnlich fortschrittlich. Zum Vergleich: Noch Anfang der 1980er Jahre gab es das gleiche Angebot noch im Dorfgemeinschaftshaus Bomlitz und hatte durchaus Nachfrage. 

Schließlich fehlte den Arbeitskräften nach Unterkunft, ärztlicher Versorgung und sanitären Einrichtungen nur noch eine Möglichkeit zur Geselligkeit. Und auch hier investierte die Firma Wolff: Bereits 1889 wurde das Gasthaus Bomlitz eröffnet und von Wolff betrieben.  1913 kam im Ortskern noch der Pulverkrug als Fabrikkneipe hinzu, der Bedarf für zwei Gasthäuser schien vohanden zu sein. Und die Arbeiter konnten so einen Teil ihrer Lohntüten direkt nach Erhalt und nach getaner Arbeit "reinvestieren". 

Alle Einrichtungen wurden gebaut vom Architekten Theodor Fusch aus der Architektenschule des bekannten Conrad Wilhelm Hase. Er verband die Gebäude mit gemeinsamen Stilmitteln: Linsenfenster, Mansardgiebel, Fledermausgauben oder Arkaden mit Rundbögen - "Karo einfach" gab es nicht bei Wolff, und auch das setzte Standards.

Die Firma erreichte so eine bemerkenswerte Verbundenheit der Arbeiter mit ihrer Fabrik. Auch in kritischen Zeiten und bei lebensgefährlichen Tätigkeiten gab es keine Arbeitskämpfe, und die gute Disziplin sorgte für eine hohe Pulverqualität.  Und so trafen sich in der Betriebsleitung ökonomische Vernunft und soziale Verantwortung zum Wohl der Belegschaft und der Firma. Die Firma bekam so ihre besondere Unternehmenskultur, und der Ort Bomlitz war ein Abbild und profitierte davon. Sogar nach mehr als hundert Jahren sind die Spuren davon noch am Ortsbild erkennbar.

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