Arno Schmidt jetzt auch auf Japanisch

Schmidt Arno 210/2014 - Auf Deutsch ist er schon nicht trivial, wie mögen dann wohl Texte von Arno Schmidt erst in andere Sprachen übersetzt werden können? Wie könnte man Formulierungen wie "der Kaffee war schon verduftet" allein schon in Englisch mit der gleichen Bedeutung, Doppeldeutigkeit und Stimmung wiedergeben? Jetzt kommen Werke von Arno Schmidt, die in seiner Benefelder Zeit entstanden sind, auch auf Japanisch heraus. Und so werden Benefeld, Cordingen oder Borg demnächst literarisch eine weite Reise antreten. 

Carsten Germis, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.10.2014:

Unverständlich, aber cool. Japan entdeckt Arno Schmidt: Ein junger Germanist übersetzt den Dichter und begeistert sein Land für ihn.

Yuji Nawata, Professor für Germanistik an der Chuo-Universität in Tokio, kommt regelrecht ins Schwärmen. "Jun Wada und einige wenige andere haben jetzt Arno Schmidt für Japan entdeckt." Arno Schmidt, viel gelobt und wenig gelesen, ist in Deutschland schon lange ein Klassiker der Moderne. Für die Japaner ist er bis heute ein unbekanntes, unbeschriebenes Blatt der deutschen Literatur. Bis auf einen kurzen Essay über Tagebücher, der in einem Sammelband erschienen ist, gibt es keinen Text Schmidts auf Japanisch. Und das in einem Land, in dem so viele Übersetzungen aus anderen Sprachen erscheinen wie in wohl keinem anderen.

Doch jetzt, in dem Jahr, in dem er seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte, kommt Arno Schmidt endlich auch in Japan an. Zu verdanken ist das einem 27 Jahre alten städtischen Angestellten. Jun Wada entdeckte seine Liebe zu dem Schriftsteller vor fünf Jahren während seines Germanistik-Studiums an der Waseda-Universität in Tokio. Für die Aufnahmeprüfung zum Magisterstudium erfuhr er in einer Geschichte der deutschen Literatur erstmals etwas über Schmidt. "Den wollte ich lesen", sagte er. Gesagt, getan. Jun Wadas erster Eindruck: "Unverständlich, aber cool." Doch gerade das hat den Germanistik-Studenten gereizt. Er schätzte schon vorher die sprachspielerischen Werke von Thomas Pynchon oder Georges Perec. "Das war für mich zunächst einmal genug, um mich für das literarische Werk von Arno Schmidt zu interessieren."

Seitdem hat der deutsche Autor Jun Wada nicht mehr losgelassen. Schon während des Studiums übersetzte er den Roman "Die Umsiedler". Er las daneben die viel gelobten Übersetzungen Naoko Yanases, der die Werke von James Joyce ins Japanische brachte: "Von dem habe ich sehr viel gelernt." Vier Jahre lang brauchte Jun Wada dann für die Übersetzung von "Seelandschaft mit Pocahontas". Selbst in der Mittagspause setzte er sich hin und vertiefte sich in Schmidt.

Jetzt hat er für seine Arbeit den erstmals verliehenen MERCK-Kakehashi-Literaturpreis bekommen. Das japanische Wort "Kakehashi" steht für Brückenschlag, Grenzüberschreitung. Gestiftet vom Darmstedter Pharma- und Chemieunternehmen MERCK und in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Tokio verliehen, soll der Preis deutschsprachige Gegenwartsliteratur für japanische Leser zugänglich machen. Als Jun Wada seine Übersetzung einreichte, hatte er nicht damit gerechnet, den mit 10.000 EUR für den Übersetzer und 10.000 für den Autor - in diesem Fall geht das Geld an die Arno Schmidt Stiftung - ausgelobten Preis zu gewinnen. Doch die Jury war begeistert: "Das ist vielleicht die letzte Chance, Arno Schmidt noch für Japan zu entdecken", sagt Yuji Nawata und begründet damit gleichzeitig, warum die Jury den Begriff deutsche Gegenwartsliteratur recht weit auslegte: "Die Qualität der Übersetzung ist großartig", lobt er. Jun Wadas Probeübersetzung hat auch den Verleger des angesehenen Suiseisha-Verlag überzeugt. Er plant nun gleich eine ganze Reihe von Texten Arno Schmidts. Jun Wadas nächstes Projekt: Der Roman "Leviathan".

Die Juroren hoben hervor, dass der junge Übersetzer nicht nur die experimentelle, komplexe Sprache Schmidts kongenial ins Japanische übertragen habe. "Die größte Wirkung Schmidts auf mich ging von seinem Humor aus", sagt Jun Wada. Wortneuschöpfungen, Wortspiele - mit seinen drei Schriftsystemen Kanji, Hiragana und Katakana lasse sich gerade mit Schmidt im Japanischen gut experimentieren. Wenn Jun Wada jetzt weiter übersetzt, bekommt er Unterstützung. In diesem Jahr hat er geheiratet, seine Frau Aya ist auch Germanistin. Ihre Hochzeitsreise führte sie auf den Spuren von "Seelandschaft mit Pocahontas" ins Oldenburgische an den Dümmer. Gewohnt haben sie dort natürlich im Gasthaus Schomaker, dem "Holkenbrinks" aus Arno Schmidts jetzt bald auch auf Japanisch vorliegender Erzählung.

(gefunden von Peter Evenburg aus Benefeld)

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